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Kapitel XVI

Wie Albert, Hofer und Herzog das Studium der Ashroti betrieben, wie sie Weisheit gewannen, an den Anfang zurückkehrten und alles endlich doch noch gut wurde.

Nach dieser kleinen Niederlage blieb dem Trio nichts anderes übrig, als mit allerlei Fragezeichen im Gemüt seiner Wege zu gehen. Mit Hilfe von Marianne Gerny, der früheren Präsidentin der Stiftung Kunst Heute, brachten sie die Ashroti-Box erst einmal ins Depot des Kunstmuseums Bern. Dort blieb sie für drei Tage und Nächte. Gleichzeitig positionierten sie neun mit Bewegungssensoren ausgestattete Kameras in dem Depot - mit dem Ziel, Aussehen und Verhalten des Ashroti wenigstens ab Band studieren zu können. Insbesondere interessierte sie natürlich die Frage, auf welche Weise sich ein Ashroti wohl von der Aura der Kunst ernährt. Herzog vertrat die These, dies müsse durch eine Art Photosynthese geschehen - «so wie das Blatt eines Baumes auf Sonnenlicht reagiert, so reagiert die Haut des Ashroti auf die Aura der Kunst und verwandelt ihren metaphysischen Gehalt in Kalorien». Hofer indes war überzeugt, dass «Ashroti mittels eines speziellen Organs, einer Art zweiten Gaumens, die Aura der Kunst aus der Luft absorbieren und als stärkehaltige, an Sirup erinnernde Flüssigkeit verdauen». Albert schliesslich vertrat die Idee eines «mehr fachen Kondensationsprozesses» - und hatte eine sehr genaue Erklärung dafür: «Stellt euch ein Wesen vor, das sich wieder und wieder mit derselben Sache beschäftigt. Und ein jedes Mal bleibt davon auch nur tröpfchenweise etwas hängen. Oder vielleicht müsste man eher sagen: Es springt etwas über. Oder genauer noch: Es verwandelt sich etwas von einem ideellen Zustand in einen gasförmigen und dann in einen flüssigen, um zu verdampfen und die Wesen schliesslich als Magenniederschlag zu ernähren.»

Ja, im Fieber der Forschung entwickelten Albert, Hofer und Herzog noch manch andere These. Das Aufstellen der Video-Kameras rund um die Box indes führte nicht wirklich zu den erhofften Aufklärungen. Zwar wurden die Bewegungssensoren ganz offensichtlich wiederholt durch irgendetwas in dem Raum alarmiert, wurden die Kameras immer wieder eingeschaltet und zeichneten insgesamt mehrere hundert Stunden auf. Das Material indes war nicht sehr ergiebig: Albert, Hofer und Herzog verbrachten in zahllosen Sitzungen unzählige Stunden damit, es zu sichten. Von Mal zu Mal nahm dabei ihr Bierkonsum zu - die Hoffnung, Stoff für das Studium der Ashroti zu finden, aber schwand.

«Mir kommt die ganze Sache mehr und mehr wie ein Curry vor», liess Herzog eines Abends verlauten: «Du weist nie genau, was alles drin ist - aber wenn du es isst, dann trabst du auf deinem Gaumen los durch ungeahnte Landschaften. Du reitest nackt wie Eva auf einem Elefanten durch die Steppe, hangelst dich wie Tarzan von Baum zu Baum, gleitest im Kanu durch die Backwaters von Cochin, fährst mit dem Fahrrad durch Pondicherry oder mit dem Nachtzug von Bombay nach Delhi.»

«Vielleicht hat die Leere auf diesen Bildern doch eher mit Weisheit und Erleuchtung zu tun», gab Hofer zu bedenken während er mit einem Stück Brot den letzten Saucenrest eines Zitronengras-Hühnchens aufsaugte: «Wahrscheinlich ist das Ganze ein grosses Lehrstück für uns, dessen Sinn wir nur noch nicht ganz verstanden haben».

«Ich finde, es ist eher wie bei der Kunst», warf Albert ein: «Man merkt ganz eindeutig, dass man unterwegs ist - nur weiss man nicht, wohin.»

«Jaja», plapperte Herzog und gähnte dabei so, dass ein Speicheltröpfchen aus seinem Gaumen quer durch den Raum spritzte: «Die indische Küche ist voller Überraschungen. Manche kommen schon ins Schwitzen, wenn sie nur die Namen der vielen Gewürze hören.»