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Logbuch der «PS Narina»

Tag 14

Luft- / Wassertemperatur: 17°C (12°C nachts) / 16°C

Windrichtung / Bft: Ostsüdost / 1-2

Gebiet: FINIS RAPAE (ein Geruch von Muscheln in der Luft) – Seekarte der Reise

Kombüse: Silberbrasse (1 kg) ausnehmen, schuppen, kalt abspülen, trockentupfen. Fisch fünf Mal pro Seite bis knapp vor die Mittelgräte einschneiden, mit Hilfe einer halben Limette etwas befeuchten, leicht salzen und gleichmässig mit Mehl bestäuben. Öl in einer Bratpfanne erhitzen und Fisch je 10 Minuten pro Seite knusprig braun braten. 2 EL Rapsöl in einem kleinen Topf erwärmen, 1 grössere Zwiebel in feinen Scheiben, 4 zerquetschte und gehackte Zehen Knoblauch glasig dünsten. 8 grüne Chilis entkernt und feingehackt, 1 EL fein gehackte Korianderwurzel beigeben, kurz anziehen lassen. 1 EL Zucker beigeben, schmelzen lassen. 1 dl Wasser und 1/2 dl Fischsauce angiessen, 5 Minuten köcheln lassen. Saft von 1/2 Limette und 40 Blätter Thai-Basilikum beigeben, kurz umrühren und zum Fisch servieren. (Weitere Rezepte vom Smut der «PS Narina»)

Beobachtungen

Seit heute früh geht Oskar auf der Reling hin und her. Er könnte dabei dann und wann stehen bleiben und mich mit vorwurfsvollen Augen ansehen. Aber das tut er nicht. Oder er könnte etwas mit seinen Zangen hin und her tragen – ein Blatt, ein Stückchen Holz, den Baustein eines Nestes. Aber auch das tut er nicht. Wahrscheinlich bauen Ameisen keine Nester nur für sich allein. Allerdings weiss ich auch nicht, wo Oskar schläft – er taucht meist am Morgen irgendwann auf, um am späteren Abend wieder zu verschwinden. Vielleicht schläft er ja überhaupt nie, vielleicht brauchen Ameisen keinen Schlaf. Oder er schläft nicht weil er Angst hat vor seinen Träumen. Wie sähe wohl so ein Ameisen-Angsttraum aus? Vielleicht würde er davon träumen, sich isoliert von seinem Volk auf einem Papierschiff wieder zu finden (zusammen mit einem, den er Kapitän nennen muss). Vielleicht glaubt Oskar, dass er in einem Traum gefangen ist. Vielleicht geht er mit dem Ziel auf der Reling hin und her, sich endlich wach zu bekommen, sich aus dem Schlaf zu erschöpfen.

Wenn ich also das Schiff mit einer Ameise teile, die glaubt, dass sie schläft, kann ich dann trotzdem von einem «wir» sprechen, das nach Santa Lemusa reist? Faktisch befinden wir uns ja in derselben Wirklichkeit – gefühlt aber sind wir in zwei unterschiedlichen Realitäten unterwegs.

Ich muss Oskar wecken – sonst verpasst er sein Leben. Ich weiss ja nicht einmal, wie alt so eine Ameise wird. Allerdings weiss ich ja auch nicht, wie alt ich selber werde. Ich möchte lange leben. Oskar vielleicht auch – das wäre ein schönes «wir», immerhin.

Nächster Tag (15)

First Publication: 30-11-2012

Modifications: 12-11-2014