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Hof in Gräsheden bei Sälen in der Dalarna. (Samstag, 26. Juli 2013)

5. Flasche

Die Drehrichtung umkehren

Barbera d'Asti Adriavini Dal Nostro Giardino 2009

Von aussen riecht der Wein unbewegt nach mild säuerlicher Kirsche und kalter Butter, eine leichte Metallnote hält sich im Hintergrund. Bewegt nimmt das Buttrige zu, eine Idee von leicht unreifen Heidelbeeren tritt auf, dazu passt etwas Baumrinde mit leichten Noten von «Ovomaltine». Und plötzlich ist nur noch Orange da, ein älteres Exemplar mit leicht fauligen Teilen – oder Orangenkonfitüre. So klar, als wäre nie etwas anderes gewesen. Wie ein Symptom, eine körperliche Pein, die von einem Moment zum nächsten auftaucht und alle Gedanken besetzt. Ein stechender kleiner Schmerz, ein unerklärliches Zwicken etwa, das im Abstand von Minuten auftaucht - und uns zutiefst beunruhigt, lähmt, verwirrt. Es gibt Zeiten, in denen ist man empfindlicher als sonst.

Irgendwann wechseln wir das Hemd – und der Schmerz ist weg. So sollten wir alles loswerden können, was uns quält. Versuchen wir es mit dem Wein: Wir wechseln die Drehrichtung im Glas – und tatsächlich, die Orangemarmelade fliesst in den Hintergrund ab. An ihre Stelle tritt ein typischer Sommer-Duft: eine etwas ältere Strasse mit hellgrauem Belag, die Stunden von der Sonne beschienen und vor kurzem mit Wasser abgespritzt wurde.

Im Mund ist der Wein bitter, nicht sehr sauer aber etwas staubig. Von innen ist da zunächst ein Aroma von gekochter Rinderkuttel, das aber mit der Bewegung einem Duft von vergorenen Früchten weicht – manchmal eher Birnen, manchmal Trauben. Der Schmerz hat eine gewisse Beunruhigung im Körper hinterlassen – doch er ist weg. Aber ist er auch wirklich weg – haben wir ihn mit dem Hemd aus unserer Welt geschaffen? Oder schlummert er nur im Untergrund, werden wir bald schon sagen müssen: das Symptom ist wieder da? Es gibt Zeiten, in denen hat man weniger Vertrauen als sonst.

Es soll Hunde geben, die können gefährliche Krankheiten in der Atemluft des Menschen riechen, noch ehe sie irgendein anderes Diagnoseinstrument erfassen kann. Manchmal bin ich selbst ein solcher Hund, der in den eigenen Körper hinein schnüffelt – nur bin ich nicht so viel Natur. Was würde ein solches Diagnose-Tier wohl in diesem Wein riechen. Das Aroma wirkt auf eine bestimmte Weise gefährlich, ein wenig unsauber auch. Mit der Zeit aber klären sich die Töne, drängt sich eine dunkle und süsse Pflaume in den Mund, belegt mit ein paar Blättchen amerikanischer Kaugummi-Pfefferminze. Dann und wann klebt etwas Orangenmarmelade daran – nicht vordergründig, eher wie ein Memento aus dem Hintergrund. Im Nachklang weht eine Eukalyptus-Note herein, angenehm klar.

Getrunken am Samstag, 26. Juli 2013 auf der Veranda eines Hauses in Gräsheden bei Sälen (Dalarna, Schweden). Gekauft bei «Vinmonopolet» in Trysil (Norwegen, NOK 131 im Juli 2013).

Nächste Flasche

Barbera d'Asti Superiore Adriavini Dal Nostro Giardino

DOCG, 2009, 13.5% Vol.

100% Barbera

Rotwein aus dem Piemont (Italien), produziert von Adriavini in Castelboglione (auf Karte anzeigen). Abgefüllt für Primewine Norway.

First Publication: 31-8-2013

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