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Beim Schindlergut in Zürich: Sommerbäume an der Limmat, mit ersten Anzeichen von Herbst. (Mittwoch, 16. Oktober 2013)

17. Flasche

Die Welt in einem Gesicht

Barbera d'Alba Sottimano Pairolero 2009

Von aussen riecht der Wein unbewegt nach Himbeere und feuchtem Waldboden. Mit der Drehung wird die Himbeere süsser und es gesellt sich etwas Lakritze und Naturleder dazu. Die Himbeere erinnert jetzt eher an Bonbons, denn an die Frucht. Auch Erdbeere ist da – und etwas ganz leicht Verdorbenes, das eine gewisse Unruhe in die schöne Fruchtsüsse bringt. Das erinnert mich an die kleinen Dinge, die ich an meinem Körper dann und wann feststelle – und die fast ausnahmslos eine nervöse Besorgtheit provozieren. Oft kommen sie mir wie die Zeichen einer Sprache vor, die ich nicht verstehe – obwohl sie meinen Körper beschreibt. Es gibt auch um mich herum viele Sprachen, von denen ich keine Ahnung habe, und die mir doch ständig Dinge bedeuten, bedeuten könnten.

Im Mund ist der Wein süss, leicht bitter und fest, mit einer eher fröhlichen Säure und einem fleischigen Körper. Von innen schiebt er etwas saurere Früchte in den Vordergrund, dazu eine Ahnung von feuchter, seit Wochen vom Baum gefallener Rinde. Auch etwas Rosmarin ist da.

Das Bild der jungen Frau taucht vor mir auf, die ich am Morgen im Speisewagen der deutschen Bahn gesehen habe. Sie hatte sich umgewandt, um aus dem Fenster zu schauen – das sanfte Licht einer vom Frühnebel gebrochenen Sonne schien ihr direkt ins Gesicht. Ihre Augen huschten in bogenförmigen Bewegungen hin und her – als sei ihr Blick gefordert, Hürden zu überspringen. Dabei war ihr Gesicht von einer solch entspannten Glätte, dass es wirkte als spiegle sich die Landschaft darin. Alles in ihren Zügen schien sich im Schauen aufzulösen, und sie setzte dem Erleben keinerlei Haltung, keinerlei Mine entgegen. Während Sekunden gab es für mich nur noch dieses Gesicht und die Welt, wie sie in ihm sichtbar wurde. Ich glaubte etwas zu verstehen – ohne es wirklich zu begreifen. Dann wandte sich die Frau wieder ihrem Kaffee und ihrem Mobiltelefon zu – dabei verformten sich ihre Züge zu einer angestrengten Fratze, arrogant und doch bemüht, zu gefallen. Sie blieb so bis zum Ende der Fahrt.

Mit der Zeit entwickelt der Barbera balsamische Noten, kommt eine pfeffrige Fruchtigkeit auf.

Getrunken am Mittwoch, 16. Oktober 2013 im Salon meines Wohnhauses über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Vini Vergani» in Zürich (Fr. 26.40 im August 2013).

Nächste Flasche

Barbera d'Alba Sottimano Pairolero

DOC, 2009, 14.5% Vol.

100% Barbera

Rotwein aus dem Piemont (Italien), produziert von der Azienda Agricola Sottimano in Neive (auf Karte anzeigen).

First Publication: 17-10-2013

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