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Passagierschiff auf dem Zürichsee, vom Zürichhorn aus gesehen. (Dienstag, 1. Oktober 2013)

12. Flasche

König in Windeln

Barbera d'Asti La Morandina Zucchetto 2011

Von aussen riecht der Wein nach frisch gepresstem Kirschsaft und Pfefferminze, etwas später nach Konfitüre, die im Ofen aus einem Brötchen ausgelaufen und auf dem Backblech leicht angebrannt ist. Bewegt man den Barbera, so erscheint zunächst jemand mit einer vollgekackten Kinderwindel im Raum – mir gehört sie nicht, nicht mehr, noch nicht. Ob man an einem Wein riechen kann, während man in einer Windel sitzt? Die Frage passt nicht ganz zum Moment. Aber doch, wenn wir eines Tages vor uns hin siechen müssen, dann doch besser so: Umhuscht von einem Heer besorgter Krankenschwestern thronen wir in der würdigen Wärme unserer eigenen Scheisse und trinken dabei eine Flasche Wein, die das Monatsgehalt eines Oberarztes gekostet hat. Klingt würdevoll. Bleibt zu hoffen, dass uns dann nicht die Mittel fehlen – oder der Humor.

Nun ruft der Wein seine Gegenbilder auf und schiebt eine milde Lavendel-Note in den Vordergrund, etwas Honig dazu, eine feine Seife aus der Provence, der Inbegriff ländlicher Sauberkeit. Vor allem, wenn man die Luft nur ganz leicht durch die Nase einzieht, dann hat der Barbera etwas frisch Geputztes. Im Mund fühlt sich der Wein süss an und ein klein wenig bitter, mit einer schön verankerten Säure und einem Anflug von Tannin. Er ist weich, warm und man fühlt sich als lege einem jemand eine schwere Wolldecke um die Schultern.

Von innen riecht der Wein erst nach schwarzen Kirschen aus einem rauen Lederbeutel, dann nach der industriell hergestellten Praline «Mon Chéri». Schliesslich spielt eine Kaffee-Note hinein. Erst fühlt sich das Aroma im Mund an, als habe man vor kurzem einen Espresso getrunken, dann aber bekommt er schnell etwas Milch ab und einigen Zucker. Nun stehen wir vor einem kleinen Verkaufsstand auf Track 1 im Bahnhof von Bangalore, wo Kaffee in kleinen Plastikbechern ausgeschenkt wird – mit sehr viel Milch und noch mehr Zucker. Ich trinke Kaffee immer ungesüsst und höchstens mit einem Tropfen Milch – doch sehr früh an einem nebligen Morgen in Bangalore hat mir der kleine Plastikbecher in meiner Hand ein Glücksgefühl beschert, wie es kein Espresso dieser Welt je vermochte. Das spricht gegen Qualität und für billige Panscherei – vor allem aber illustriert es die Macht der Umstände.

Getrunken am Dienstag, 1. Oktober 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Vini Vergani» in Zürich (Fr. 17.70 im August 2013).

Nächste Flasche

Barbera d'Asti Superiore La Morandina Zucchetto

DOCG, 2011, 14% Vol.

100% Barbera

Rotwein aus dem Piemont (Italien), produziert von der Azienda Agricola La Morandina di Morando Giulio e Paolo in Castiglione Tinella (auf Karte anzeigen).

First Publication: 18-10-2013

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