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Kunstraum «Perla-Mode» an der Zürcher Langstrasse – Gespräch über «Pimp my Painting», ein Projekt von Karoline Schreiber und Julia Sheppard. (Dienstag, 5. November 2013)

25. Flasche

Ein einsames Geschäft

Valais Pinot noir Cuvée de la Garde Suisse 2010

Von aussen und unbewegt: Zunächst steckt die Nase in einer Plastiktüte mit säuerlichen und nicht mehr ganz frischen Trockenfrüchten – dazu tragen wir eine etwas in die Jahre gekommene Jacke aus glattem Leder. Dann leuchtet im Untergrund zaghaft eine schwarze Kirsche auf. Die Bewegung schwingt die Kirsche stärker in der Vordergrund, dazu gesellt sich die verkohlte Kruste von einem Stück roten Fleisch. Im Mund ist der Wein mild, weder markant sauer noch bitter, eher ein wenig süss, nicht sehr komplex, aber gut strukturiert. Von innen schmecke ich unreife Brombeeren, Johannisbeeren und etwas, das entfernt an Fussschweiss erinnert – oder an nicht mehr ganz neue Spannteppiche.

Wenn ich meine Nase in ein Glas jungen Pinot noir aus dem Wallis halte, dann ist da immer zuerst ein ganz bestimmter Duft, der mich zurückschrecken lässt und mich viele Jahre lang zuverlässig davon abgehalten hat, solche Weine zu trinken. Ich habe noch keine Worte gefunden, die diesen Duft ganz genau beschreiben. Die Plastiktüte mit den nicht ganz frischen Trockenfrüchten und die Lederjacke sind bloss eine erste Annäherung. Vielleicht spielt auch das verkohlte Fleisch von Beginn weg eine Rolle – das würde mein Zurückschrecken erklären. Ich habe zahllose Verkostungs-Notizen zu Pinot noir aus dem Wallis konsultiert, doch da ist immer nur von Brombeeren, vollreifen Kirschen, Vanille, Lakritze, Schokolade usw. die Rede – nirgends wird etwas angesprochen, das ich auch nur annähernd mit diesem primären Duft in Verbindung zu bringen vermag. Kann es sein, dass ich allein diesen Duft wahrnehme - vielleicht als Folge eines olfaktorischen Traumas, an das ich mich nicht erinnere. Hat meine Mutter aus Versehen einen Stinkekäfer in meinen Babybrei gerührt – und seither reagiere ich hypersensibel auf alles, was mich auch nur entfernt an dessen Sekret erinnert. Oder ist es umgekehrt so, dass ich etwas nicht erkennen kann, das alle andern Nasen eindeutig identifizieren? Vielleicht riecht das, was für mich so schwer fassbar ist, für alle übrigen Menschen einfach nach reifer Brombeere. Oder aber es gibt da eine Eigentümlichkeit von jungem Pinot noir, über die einfach noch nie jemand ein Wort verloren hat – vielleicht gerade weil stimmige Vor-Worte fehlen, nach denen man sich richten könnte. Wahrnehmung ist oft ein einsames Geschäft, vor allem im Bereich der Düfte. Bin ich da etwas Besonderem auf der Spur – oder bin ich schlicht das Opfer einer Fehlleistung meiner Sinne? Und was wäre das genau: eine «Fehlleistung der Sinne»? Totaler Blödsinn? Oder vielleicht die Chance, etwas Neues zu entdecken?

Mit der Zeit mischt sich auch eine fröhliche Erdbeere in die Geschehnisse ein, überhaupt nimmt das Fruchtige und Frivole zu. Zieht man die Luft ganz scharf in die Nase, dann ist da auch Zwetschge zu riechen. Im Abgang bleibt eine leichte Pfeffernote zurück – und eine Ahnung von einem mit Tannnadeln übersäten Waldboden, auf den plötzlich ein Stück frisch grilliertes Rindersteak fällt.

Getrunken am Dienstag, 5. November 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Provins» in Sion (Fr. 14.90 im Oktober 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir Cuvée de la Garde Suisse Pontificale – Hommage au Pape Jules II

AOC, 2010, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Provins Valais in Sion (auf Karte anzeigen).

Der Wein wurde zu Ehren von Papst Julius II. gekeltert, der 1506 Schweizer Soldaten als persönliche Wachmannschaft verpflichtete und damit die Schweizergarde im Vatikan begründete – 2013 jährt sich zum 500. Mal der Todestag von Giuliano della Rovere.

First Publication: 6-11-2013

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