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Zwölf Boote haben sich bei der Anlegestelle vor dem Zürcher Bürkliplatz versammelt, um der «Expovina» als Ausstellungsort zu dienen. Der amerikanische Komponist Alvin Curran nutzt die Hörner dieser Schiffe für sein Konzert zur Eröffnung der Tage für Neue Musik. (Donnerstag, 14. November 2013)

28. Flasche

Die beste aller Welten

Valais Pinot noir de Saint-Léonard Virets 2011

Von aussen unbewegt hat der Wein ein tiefes Kirscharoma, mit der Zeit gesellt sich eine leichte Lebkuchen-Note dazu. Die Bewegung bringt einen Duft in den Vordergrund, der abwechselnd an geröstete Haselnüsse und an eine Teekanne mit viel Schwarztee-Belag erinnert. Ab und an schiesst auch eine Ahnung von weissem Trüffel vorbei.

Im Mund ist der Pinot noir leicht bitter, mittelkompakt und nicht sehr schwer, mit gut abgefederten Tanninen. Von innen hat das Aroma etwas ganz leicht Chemisches: altes gebeiztes Holz oder auch ein Schuppen, in dem irgendwo Lappen liegen, mit denen man Motor-Teile abgerieben hat. Auch die Röstnote ist deutlich, manchmal mit Anklängen von Nougat, dann eher von Erdnuss – und hin und wieder mit einer Ahnung von sehr dunklen Früchten. Mit der Zeit wird auch irgendwo eine Rindsleber gegrillt – und dann wird ein Wagen mit einer exotischen Garküche vorbeigeschoben.

Vom ständigen Hupen verschiedener Schiffe an den Zürichsee gelockt, habe ich heute zufällig das Eröffnungskonzert der Tage für Neue Musik mitgehört. Die wuchtigsten Instrumente in dem Stück von Alvin Curran waren 14 Passagierboote, die in einem bestimmten Rhythmus tüchtig Dampf abliessen. Das hörte sich überraschenderweise überhaupt nicht surreal oder magisch an, sondern tönte so unbeholfen, ja fast verzweifelt, dass es mich auf eine eigentümliche Art berührte – und zum Lächeln brachte. Wenig später hörte ich ein zweites Hupkonzert in Nähe des Helvetia-Platzes, nun waren es Autos, die das Stück aufführten. Wieder brachten mich die Töne zum Lächeln. Kurz darauf aber begriff ich, dass die Autos hupten, weil ich mit meinem Fahrrad ein Rotlicht überfahren hatte und nun ein Hindernis darstellte. Trotzdem: für einen kurzen Moment hatte ich die Hornerei der gekränkten Autofahrer völlig missverstanden – und mich deshalb darüber gefreut. Töne sind eben nur Wellen – und der ganze Rest ist Interpretation. Im Grunde könnte man so vieles strategisch missverstehen – und würde also in der besten aller möglichen Welten zu Hause sein. Sicher – das wäre wohl keine gute Prämisse für ein erfolgreiches Leben. Aber wozu braucht man Erfolg, wenn ein Missverständnis genauso viel leisten kann?

Der Pinot noir ist reich, vielgestaltig, voller Überraschungen, ein Hupkonzert – nur im Abgang ist er wie ein Licht, das ausgeknipst wird.

Getrunken am Donnerstag, 14. November 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Coop» in Zürich (Fr. 19.90 im Oktober 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir de Saint-Léonard Domaines des Virets Réserve

AOC, 2011, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von den Domaines de Virets (Pierre-Alain Mathier) in Saint-Léonard (auf Karte anzeigen).

First Publication: 15-11-2013

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