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Über dem Zürcher Uetliberg hängt dichter Nebel, in dem dann und wann der Sendeturm sichtbar wird. (Mittwoch, 20. November 2013)

29. Flasche

Der Schlauch-Mann

Valais Pinot noir Visperterminen St. Jodern 2012

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach unreifen Kirschen und kalter Butter. Mit der Bewegung tun sich Himbeeren und eine leichte Ledernote auf – und irgendwo im Raum öffnet jemand eine dieser blauen Dosen mit «Nivea»-Crème (aber vielleicht ist das auch nur eine Sehnsucht unserer Hände).

Im Mund ist der Wein eher dünn und süss, rund und harmonisch, aber nicht sehr komplex. Von innen gesellen sich leichte Schokolade-Töne dazu, wird die Kirsche stärker – mit der Zeit kann man eine feine Fleischnote darin finden, ein etwas zu lange gekochter Rindsbraten vielleicht.

Es war schon später Nachmittag und das november-fahle Tageslicht begann, sich auf seine baldige Auflösung in der Dunkelheit vorzubereiten, da spazierte ich über den Zürcher Bellevueplatz und sah dabei den Arbeitern zu, die hier seit Monaten damit beschäftigt sind, längliche Steinplatten zu verlegen. Einer dieser Arbeiter, er trug ein orange leuchtendes Gewand und hatte einen roten Helm auf dem Kopf, stand etwas abseits und hielt einen Schlauch in der Hand, mit dem er den Staub vom Platz spritzen sollte. Das Wasser plätscherte indes permanent auf die ganz genau gleiche Stelle. Der Mann wirkte, als habe er vollkommen vergessen, was er gerade tue. Er schien zur Statue, zur Brunnenfigur erstarrt. Sein Blick war auf den Uetliberg gerichtet, dessen Kuppe am gegenüberliegenden Seeufer im Nebel verschwand. Jetzt erst bemerkte ich, dass sich die Augen des Mannes sanft hin und her bewegten – sein Blick folgte offenbar dem Nebel, der über den Wipfeln der Bäume mal in die eine, mal in die andere Richtung glitt und dabei abwechselnd Dinge verschlang und zum Vorschein brachte. Ein scharfer Pfiff riss den Arbeiter aus seiner Träumerei – Männerlachen am anderen Ende der Baustelle. Er begann, nervös hin und her zu spritzen. Ich ging meiner Wege – aber ich fühlte mich dem Schlauch-Mann auf eine seltsame Weis verbunden, als hätten wir gemeinsam etwas erlebt.

Dieser Pinot noir ist ein eleganter, aber auch ein etwas oberflächlicher Wein. Ich habe den Eindruck, es stimme alles, alles sei sauber und richtig gemacht worden – aber es fehlt ihm an Eigenheit. Im Abgang hinterlässt er eine angenehme, gefällige Süsse.

Getrunken am Mittwoch, 20. November 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Coop» in Zürich (Fr. 15.90 im Oktober 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir Visperterminen St. Jodern Kellerei

AOC, 2012, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von der St. Jodern Kellerei in Visperterminen (auf Karte anzeigen).

First Publication: 21-11-2013

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