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Ohne einen gewissen Kontrollverlust kann man zwar problemlos Länder und Kontinente unterwerfen - kommt aber persönlich keinen Schritt voran. Morgenlicht am Zürichhorn. (Montag, 2. Dezember 2013)

32. Flasche

Ein neuer Raum

Valais Pinot noir Salquenen Oskar Mathier GC 2011

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach gezuckerte Erdbeer-Stücken, zurückhaltend eher. Mit der Drehung kommt eine freundliche Schokoladenote dazu. Wenn ich die Luft kräftig in die Nase einziehe, dann taucht da ein Duft auf, wie ihm kleine Stücke frischer Tintenfische verströmen können – etwa wenn sie als Sashimi serviert werden. Auch eine Note von leicht angekohlten Fleisch ist da.

Heute bin ich rot geworden. Ich spürte, wie mir Wärme in Stirn und Wangen schoss, wie sich mein Herzschlag beschleunigte, die Atmung flacher wurde. Ja es war mir auch, als fühlte ich die Signalfarbe, die auf meinem Gesicht sichtbar sein musste. Ich kam mir wie ein Tintenfisch vor, der vergeblich versucht, Muster und Färbung seiner Pigmentzellen der Umgebung anzupassen. Meine Deckung war aufgeflogen.

Der Anlass spielt keine Rolle – nichts, das Stoff für einen Roman hergeben würde. Ich bin errötet, weil ein Wunsch sichtbar wurde – kein besonders unverschämter Wunsch, aber einer, für dessen Umsetzung ich auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen bin, zumindest darauf, dass sie mein Tun gutheissen. So gesehen könnte man auch von einem Anspruch sprechen, der sichtbar wurde – ein Anspruch aber ist ein neuer Raum, den man für sich erobern möchte.

Was für jeden Einzelnen ein neuer Raum ist, hängt von seiner psychischen Kondition ab, von den ganz individuellen Grenzen. Meine persönliche Verfassung, soweit ich sie überhaupt überblicke, will ich hier nicht zum Besten geben. Aber heute ist mir etwas aufgefallen: das Erröten ist ein untrügliches Anzeichen dafür, dass sich die Türe zu einem neuen Raum einen Spalt weit geöffnet hat. Die Eroberung neuer Räume hat also für das Individuum – und ganz im Gegensatz zur Politik – nicht mit Bemächtigung zu tun, sondern im Gegenteil, mit einem gewissen Verlust an Kontrolle.

Im Mund ist der Wein rund und frisch, mit wenig Tannin, eher süsslich denn sauer, etwas flach. Auch von innen gerochen überwiegt eine gefällige Schokoladenote – ein Aroma, wie es für Schokoladencreme aus der Dose typisch ist («Stalder»-Creme), mit einem bisschen Zimtpulver drin. Völlig unpassend entwickelt der Wein dazu einen Duft von gegrilltem und dann erkaltetem Gemüse – Paprika vor allem. Dann und wann riecht es auch nach Dosen-Tomaten (Pelati) – dieser Eindruck nimmt mit der Zeit sogar zu. Ein fröhlicher, ein freundlicher, ein vergnüglicher Wein – aber längst nicht so berührend wie der Pinot noir aus der Cave St-Pierre in Chamoson, den wir gestern getrunken haben.

Getrunken am Montag, 2. Dezember 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Coop» in Zürich (Fr. 28.00 im November 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir de Salquenen Oskar Mathier Grand Cru

AOC, 2011, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Oskar Mathier-Oggier SA in Salgesch (auf Karte anzeigen). No. B4319.

First Publication: 3-12-2013

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