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Zwei Mal Malerei im öffentlichen Raum: Nach einem dunklen und regnerischen Tag scheinen die letzten Strahlen der Sonne für Minuten unter der Wolkendecke durch – Blick vom Basler Voltaplatz aus. (Samstag, 4. Januar 2014)

37. Flasche

Der «Sideways effect»

Valais Pinot noir Salquenen Cave Biber GC 2010

Von aussen unbewegt riecht der Wein dezent nach Kirsche. Mit der Bewegung verändert sich zunächst nichts, erst wenn man ihn richtig heftig im Glas drehen lässt, kristallisiert sich eine Himbeernote heraus, die dann und wann leicht an das Felle eines Rehs erinnert – an der Basis aber wirken weiterhin frische Kirschen. Man muss dem Pinot noir etwas Zeit lassen, dann tauchen plötzlich leicht pfeffrige Nebengerüche auf, auch fleischige Noten ziehen durch.

Im Mund ist der Wein rund, eher leicht, mit wenig Tannin und einer frischen Säure. Von innen gerochen sind die Kirschen sehr reif, auch getrocknete Zwetschgen baumeln – mit der Zeit kommt eine feine Würze dazu, etwas von mit Zimt, Piment und Gewürznelken aromatisiertem Fleisch.

Heute habe ich von einem Film erfahren, der in Den USA eine wahre Pinot-noir-Welle ausgelöst hat: «Sideways» – eine Hollywood-Komödie über einen Weinliebhaber auf Umwegen, in dem offenbar ein Loblied auf Pinot noir gesungen wird. Der Film hat einen solchen Boom ausgelöst, dass man in den Staaten sogar vom «Sideways effect» spricht – alle möglichen und unmöglichen Lagen wurden neu mit Pinot noir bestockt, um den ständig steigenden Bedarf zu decken. Das erinnert mich an eine Passage, in der sich Proust über einen Grafen lustig macht, der sich ausschliesslich von Dingen entzücken lässt, die er zuvor in einem Bild oder einem Theaterstück gesehen hat. Wenn ich mich richtig erinnere, spricht er von «idolâtrie artistique» – und verurteilt ein solches Verhalten als eine Art Blindheit für die Realität. Prousts Urteil kam mir bei der Lektüre etwas hart vor. Sicher ist es kein Zeichen selbständigen Denkens, Sehens oder Riechens, wenn wir uns in einen Wein verlieben, der schon einen Filmschauspieler glücklich gemacht hat. Aber können und vor allem wollen wir wirklich ganz frei sein von solchen Vermittlungen? Wenn Dinge für uns leichter Bedeutung bekommen, die eine schöne Geschichte haben (wie sie ein Bild, ein Theaterstück oder ein Film erzählt), zeigt dies nicht auch, wie sehr die Literatur, die Fiktion, die künstlerische Erfindung die Qualität unseres Lebens beeinflussen? Wenn ganz Amerika Pinot will, weil er in einem Film eine Rolle spielt, dann kann man sich allerdings schon fragen, was den Herzschlag einer solchen Nation bestimmt.

Getrunken am Samstag, 4. Januar 2014 in einer Küche beim Bahnhof St. Johann in Basel. Geschenk aus «L'Enoteca Liechti Weine» in Basel.

Nächste Flasche

Valais Pinot noir de Salquenen Cave Biber Grand Cru

AOC, 2010, 13% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Jürg Biber in Salgesch (auf Karte anzeigen). No. E1294. Laut «L'Enoteca Liechti Weine» in Basel darf der Grand Cru von Salquenen nur im Stahltank ausgebaut werden.

First Publication: 6-1-2014

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