D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

Und plötzlich geht es nicht mehr um ein Ich, sondern um ein Du. Bricelet? Alabaster? Geschenkpapier? Alge? Fremdkörper? (Sonntag, 19. Januar 2014)

43. Flasche

Mein Terroir

Valais Pinot noir de Salquenen F. Cina Pachier 2012

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach etwas kühlen schwarzen Kirschen – dazu gesellt sich eine leicht säuerliche Schokoladennote. Mit der Bewegung kommt zunächst eine frische Brise auf, die einen süssen Himmbeerhimmel durchstreift. Ganz weit hinten im Bild steht auch ein Stall, aus dem dann und wann die Ahnung eines tierischen Duftes entweicht – es könnte das Fell eines jungen Kalbes sein. Lässt man das Glas einen Moment lang stehen, bildet sich über dem Wein eine Wolke, die an verbrannten Zucker erinnert – aber schnell verpufft.

Im Mund ist der Wein eher süss und freundlich, rund – beim Kauen hält er den Schleimhäuten aber auch etwas Säure entgegen. Von innen sind die Kirschen reifer und die Schokolade spielt in dunkleren Regionen. Karamellhaltige Kekse drängen sich auf.

Ob man allein ist, ob man mit A spricht oder mit B spazieren geht, ob C zu Besuch ist oder D bis K einem zuhören – man ist doch nie dieselbe Person. Kann es sein, dass man auch, je nach Flasche, die man kostet, andere Teile von sich für den Moment entwickelt, spürt? Wein kann mich beleben, beruhigen oder betäuben, versöhnen oder trösten, mich melancholisch stimmen oder Glücksgefühle in mir provozieren. Nur: Liegt es an mir allein, was der Wein provoziert, an meiner momentanen Disposition. Oder ist der Wein doch sosehr ein Lebewesen, dass er mich wie ein Gegenüber aus Fleisch und Blut mit definiert, je nach seinem Charakter andere Facetten aus mir, aus meinem Terroir zu ziehen vermag?

Dieser Pinot noir stimmt mich fröhlich – er ist süss und liebevoll, dabei aber wechselt er ständig sein Gesicht. Nach einiger Zeit im Glas nämlich entwickelt er neue Noten, eine Mischung aus Maiglöckchen und Leder – dazu, überraschend: Curryblätter. Dann ist das alles plötzlich weg. Und wir riechen nur noch getrocknete Tomaten. Nun kommt mit der Pinot vor wie jemand, der plötzlich eine ganz andere Facette seiner Persönlichkeit für mich offenbart. Kaum zu glauben, dass es sich noch um die selbe Person handelt wie zuvor. Und nun geht es auch plötzlich nicht mehr um ein Ich – sondern um ein Du.

Getrunken am Sonntag, 19. Januar 2014 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft in der «Oenothèque Château de Villa» in Sierre (Fr. 20.50 im Dezember 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir de Salquenen Fernand Cina Sélection Pachier

AOC, 2012, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Fernand Cina in Salgesch in (auf Karte anzeigen). Flaschenrückseite: «Les vins du Domaine Fernand Cina sont strictement limités à 800 gr/ m2, ce qui a permis d'harmoniser cette riche matière pour en dévoiler ce gru de grande classe.»

First Publication: 20-1-2014

Modifications: