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Mächtig strecken sich die Palmen im Garten von Yvo Albracim gegen den Himmel am nördlichen Abhang des Déboulé.

Jardin d'Albracim

Bezirk: Nord (Vorwahl: 02) – Karte
Einwohner: 7 (Mai 2011)
Kurzbeschreibung: Das lemusische Klima ist für Datteln nicht besonders geeignet. Yvo Albracim aber zeigt in seinem Garten am Nordhang des Mont Déboulé, dass man sie trotzdem anbauen kann.
Spezialitäten: «Diri Doudou»

Dass es auf Santa Lemusa Datteln gibt, ist für viele Besucher der Insel einer Überraschung, wächst die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) doch gewöhnlich eher in trockeneren, vor allem in subtropischen Gebieten. Die Existenz der lemusischen Dattel verdankt sich einzig und allein Yvo Albracim – einem Geschäftsmann, dessen Vater in den 1950er Jahren als Kakao-Händler aus dem spanischen Granada nach Santa Lemusa gekommen war. Es war kurz nach Diktator Francos Tod (1975), als der kaum zwanzigjährige Yvo Albracim den Entschluss fasste, Datteln aus seiner südspanischen Heimat nach Santa Lemusa zu bringen. Die ersten Versuche mit Samen aus dem berühmten Dattelgarten von Elche scheiterten kläglich. Viele der Samen wollten erst gar nicht keimen – und die meisten der Sprosse kamen über wenige Zentimeter nicht hinaus.

Kisten voller Palmen

Dann aber kam Yvo Albracim auf die Idee, junge Pflanzen zu importieren. Noch heute erinnern sich manche Bewohner der Insel an jenen Morgen im Frühling 1977, als sich auf der Hafenmole von Santa Lemusa die Kisten mit den aus grossen Tontöpfen ragenden Jungpalmen reihten, die Yvo Albracim wiederum in den Zuchtgärten von Elche ausgesucht hatte. Palmen nach Santa Lemusa zu bringen – das schien den meisten Leuten doch eine ziemlich absurde Idee. Und bald kursierten die ersten Witze über Yvo Albracim und seine Palmen – über den «Spanier, der das Meer salzen will», wie ihn viele damals nannten.

Als Albracim in seinem Garten Wassergräben ausheben liess, lachten die meisten bloss.


Die Leute lachten noch mehr, als Albracim seine Palmen auf einem grossen Stück eher trockenen Landes, das er am Fuss des Déboulé erworben hatte, in langen Reihen in den Boden setzte. Auch als der Spanier Gräben ausheben liess und Wasser vom Berg in seinen Garten brachte, schüttelten die meisten bloss belustigt den Kopf. Und selbst als es dann vier Jahre später plötzlich in einigen Geschäften der Insel tatsächlich Datteln zu kaufen gab, lachten die Leute weiter. Die schalkhaften Mäuler verstummten erst, als sie diese seltsamen, leicht angetrockneten, braunen Früchte kosteten, als sie ihre Süsse auf der Zunge spürten, als ihnen der butterwürzige Geschmack in die Gaumenknospen stieg. Und als die Bewohner der Insel dann auch noch herausfanden, wie vielfältig sich die Dattel in der Küche verwenden liess, mutierte der Spanier in den Augen der Gourmands vom naiven Träumer zum unbeirrbaren Helden. Heute sind die Datteln von Albracim aus dem kulinarischen Alltag der Insel nicht mehr wegzudenken. Die kleinen Schachteln mit den süssen Früchten finden sich das ganze Jahr hindurch in jedem Geschäft – und während der Saison werden die Datteln auch gerne frisch als knackiger Snack verzehrt.

Die Rückseite von Albracims Laster ziert eine Insel mit Palmen und blauer Riesendattel.


Wenn Yvo Albracim mit seinem kleinen Lieferwagen durch die Strassen der Insel kurvt, dann lächeln die Leute allerdings auch heute noch – doch sie lächeln aus einem anderen Grund, läuft ihnen beim Gedanken an die süssen Datteln doch das Wasser im Mund zusammen. Auf die Rückseite seines kleinen Lastwagens übrigens hat Yvo Albracim über einem braunen Streifen Landes ein Stück See und darin eine grüne Insel malen lassen, deren Umrisse wie eine Mischung aus der iberischen Halbinsel und Santa Lemusa anmuten. In der Mitte dieser Insel thront, einem riesigen Felsen, Menhir oder Edelstein gleich, eine einzige bläuliche Dattel.

Siehe auch

First Publication: 4-2005

Modifications: 13-2-2009, 30-9-2011, 9-7-2013