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Eine Wunderkerze mit Geschichte – vor dem Fenster meiner Küche in Zürich. (Donnerstag, 30. Januar 2015)

82. Flasche

Verflucht

Alsace Riesling Dopff Grand Cru Schoenenbourg 2011

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach leicht angefrorener Orangenschale. Mit der Bewegung rollt eine Pampelmuse herein, darüber schwingt etwas Metallisches mit. Im Mund ist der Riesling eher süsslich mit regelmässig eingebundener Säure, mild. Von innen rieche ich eine Grapefruit-Frischkäse-Crème, die in einem Steinguttöpfchen angerührt wurde. Auch eine Idee Quitte ist da und etwas Limette mit einem Hauch von Mandel.

Wenn ich, mit meinem Fahrrad meist, nach Riehen hinaus fahre, wo ich aufgewachsen bin, stellt sich verlässlich ein eigentümliches Gefühl ein: Alles, was ich sehe, rieche, höre, atme, scheint mir so fremd und so eigenartig – dabei müsste es mir doch so vertraut und so gewöhnlich sein. Es ist mir als seien die Dinge einfach nicht das, was sie zu sein vorgeben.

Seit es meiner Mutter so schlecht geht fahre ich oft nach Riehen hinaus. Und doch hat sich an dem Gefühl nichts geändert. Als ich gestern an der Schule vorbeiradelte, in der ich Lesen und Schreiben gelernt habe, kam mir der Begriff «Fluch» in den Sinn. Könnte es sein, dass auf Riehen ein Fluch liegt – der Fluch, dass hier alles wie eine gläserne Welt ist, in der die Durchsichtigkeit selbst beweist, dass man gar nichts sehen kann? Eine Welt, in der alles zu Theater wird ohne je Theater zu sein, in der man sich mit Gefühlen herumschlägt, die gar nicht die eigenen sind, in der man sich für Gedanken entschuldigt, die man gar nicht hatte. Oder nur in dieser Welt hatte, in der das Glas so undurchsichtig ist wie schwarzer Plastik.

Vielleicht ist es aber auch gerade umgekehrt, vielleicht ist Riehen der Ort der Wahrheit – und ich bin der Fluch.

Der Riesling kommt nicht recht in Fahrt, er beginnt mich mit der Zeit sogar ein wenig zu langweilen. Allenfalls steckt in seinen Tiefen etwas halb gebackener Kuchenteig mit viel Zitronenabrieb, eine leichte Käsenote kommt dazu – oder ist dies ein Gruss des Shampoos aus meinem frisch gewaschenen Haar.

Getrunken am Donnerstag, 29. Januar 2015 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Dopff » in Riquewihr (€ 15.25 im August 2014).

Nächste Flasche

Alsace Riesling Dopff Grand Cru Schoenenbourg

AOC, 2011, 13.5% Vol.

100% Riesling

Weisswein aus dem Elsass (Frankreich), produziert von Dopff «Au moulin» in Riquewihr (auf Karte anzeigen).

First Publication: 28-9-2014

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