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Llom amb col ist ein typisches Gericht der mallorquinischen Küche, dessen Aroma stark von den verschiedenen Würsten bestimmt wird, die in den Kohlwickel und in die Sauce kommen. (März 2015)

Llom amb col

Schweinsfilet und Wurst im Wirsingblatt, geschmort in einer Speck-Wurst-Wein-Sauce mit Rosinen, Mandeln und Pinienkernen – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 150228 Mallorca Península de Formentor

Zu den intriganteren Rezepten der mallorquinischen Küche zählt Llom amb col – ein Stück Schweinelende, das mit etwas Wurstmasse in ein Kohlblatt gewickelt und dann mit einer Sauce auf Weinbasis im Ofen geschmort wird. Die verschiedenen Wurstsorten (Sobrassades, Camaiot, Botifarró), die den Charakter der Speise wesentlich bestimmen, verdanken sich einer mindestens bis ins spätere Mittelalter, wahrscheinlich aber bis in die Antike zurückreichenden Tradition der Verarbeitung von Schwein auf den Balearen. Die feine Süsse des Gerichts aber und die grosszügige Verwendung von Sultaninen und Nüssen oder Kernen dürften sich dem Einfluss der arabischen Köche verdanken, die hier zwischen 902 und 1229 in der Medina Mayurka, wie Palma damals hiess, für die Statthalter des Emirats von Córdoba und deren Untertanen kochten.

Dass der arabische Einfluss auf die mallorquinische Küche in keinem der Kochbücher erwähnt wird, die den Touristen hier an allen Ecken und Enden angedreht werden, mag man als eine gastrohistorische Konsequenz der Reconquista ansehen. Man könnte den Umstand aber auch auf die Selbstverständlichkeit zurückführen, mit der die Balearen immer schon die diversen Einflüsse von aussen aufgenommen haben. Nicht zuletzt auch die der zahllosen Deutschen und Engländer, denen die Insel heute wenigstens zur Hälfte gehört – mental auf jeden Fall.

Wie bei allen berühmten Speisen gibt es Rezepte zu Hauff, die sich manchmal recht stark voneinander unterscheiden. Wir orientieren uns ungefähr an dem Llom amb col, das wir im Restaurant «Eu Centro» in Pollença im Norden von Mallorca gegessen haben. Dieses sympathische Lokal bietet noch weitere Spezialitäten der mallorquinischen Küche an: den Gemüseauflauf Tumbet zum Beispiel, ein Frit Mallorquí mit klein gewürfelten Eingeweiden vom Lamm, Schnecken oder Kaninchen mit Zwiebeln.

Das grosse Problem bei der Rekonstruktion von Llom amb col ausserhalb von Spanien sind die Würste. Die meisten Rezepte verlangen wenigstens nach einer, oft aber nach mehreren der für die Balearen so typischen, geradezu identitätsstiftenden Sorten. Ein Rezept auf der Seite des spanischen Fremdenverkehrsamtes etwa schreibt die Verwendung von Sobrassada, Camaiot und Botifarró vor. Diese Kunstwerke aus dem Schlachthaus der Balearen sind indes ausserhalb der Inseln nicht oder nur sehr schwer zu bekommen. Wir haben verschiedene Alternativen ausprobiert, zum Beispiel die in der Schweiz populäre Waadtländer Wurst mit Chili oder dann auch Salami piccante, sind schliesslich aber bei einer scharfen Chorizo und Blutwurst gelandet, die zusammen ein passables Imitat der mediterranen Schönheiten darstellen. Man kann das Gericht auch mit anderen Wurstsorten herstellen – wichtig ist dabei einfach, dass wenigstens ein Teil der Wurstmasse so weich ist, dass sie sich auf dem Wirsingblatt ein bisschen flachdrücken lässt.

Die zweite Schwierigkeit beim Entwickeln eines nachvollziehbaren Rezepts besteht darin, dass die Wirsing-Blätter je nach Kopf, den man erwischt, sehr unterschiedlich gross sein können. In grössere Blätter lassen sich natürlich auch grössere Fleischstücke einwickeln, was wiederum nach mehr Wurst verlangt etc. – auch die Kochzeiten müssen den jeweiligen Massen angepasst werden. Wir geben hier ein Rezept für mittelgrosse Kohlblätter wieder, das auf gut daumendicke Scheiben vom Schweinsfilet abgestimmt ist. Dies sollte eine Idee vermitteln, wie das Rezept grundsätzlich funktioniert – steht anders dimensioniertes Ausgangsmaterial zur Verfügung, dürften die entsprechenden Anpassungen intuitiv gelingen. Viele Rezepte geben auch Tomaten in die Sauce – dem Vorbild aus «Eu Centro» folgend verzichten wir darauf.

Llom amb col verströmt einen markanten Duft von Kohl und Speck. Im Mund ist das Schweinefleisch sehr präsent, geradezu ein wenig tierisch. Der Kohl verwandelt das Aroma des Filets so, dass es fast so etwas wie ein leichtes Fermentationsaroma bekommt. Die Blutwurst steuert eine erdige Note bei. Die Sauce schmeckt leicht säuerlich und süss, die Mandeln und Pinienkerne streuen nussige und leicht harzige Akzente ein. Moderne Feinschmecker mögen bemängeln, dass das Filet im Wirsingblatt meist keinen rosafarbenen Kern mehr hat. Llom amb col aber ist ein ländliches Gericht, das nicht à la minute zubereitet und serviert werden muss. Es schmeckt ja auch besser, wenn man es vor dem Essen ein wenig stehen lässt oder gar aufwärmt – allerdings lässt sich so natürlich kein rosafarbener Kern halten.

Unserer Meinung nach passen Salzkartoffeln sehr gut dazu – wenngleich «Eu Centro» die Wickel mit Pommes serviert.

Kochzeit 40 Minuten

Zutaten (für 4 Personen)

6 Blätter Wirsing mit einem Durchmesser von 15 bis 20 cm

1 bis 2 TL Salz für das Blanchieren der Kohlblätter

300 g Filet vom Schwein, ein Stück aus der Mitte

1 Prise Salz für das Schweinsfilet

1 EL Olivenöl für das Anbraten des Fleisches

80 g weiche und scharfe Chorizo für die Pakete

1 EL Olivenöl für die Sauce

80 g geräucherter Bauchspeck in Würfeln oder Stäbchen

2 Zwiebeln (je 100 g), fein gehackt

50 g Chorizo für die Sauce, gehackt

3 dl Weisswein

3 dl kräftige Schweine- oder Hühnerbrühe

20 g Mandeln, in Stiften

50 g Sultaninen (50 g)

2 EL Pinienkerne (20 g)

1 TL Mandelblüten-Honig

100 g Blutwurst, in 2 cm breiten Würfeln

  1. Den Strunkansatz der Kohlblätter entfernen und die dicke Rippe auf der Aussenseite flachschneiden – so, dass sich die Blätter weniger stark wölben. Wir bereiten jeweils ein bis zwei zusätzliche Blätter vor – für den Fall, dass das eine oder andere reisst. Überschüssige Blätter kann man schnell zu einem Salat aufschneiden.
  2. 1 bis 2 L Wasser (je nach Grösse der Blätter) mit 1 bis 2 TL Salz in einem eher flachen Topf (wir benutzen unseren Wok) zum Kochen bringen und die Wirsingblätter darin 5 Minuten blanchieren – dabei die Blätter mit einem Kochlöffel unter Wasser drücken. Unter kaltem Wasser abschrecken und sorgfältig abtropfen lassen. Auf einem Tuch oder auf Küchenpapier auslegen und mit etwas Haushaltpapier ein wenig trocken tupfen.
  3. Das Schweinsfilet in sechs Stücke zu je 50 g zerlegen, die etwa 3 cm dick und 5 x 5 cm gross sind. Mit einer Prise Salz bestreuen. 1 EL Olivenöl erwärmen und die Stücke je zwei Minute pro Seite anbraten bis sie eine leicht bräunliche Kruste gebildet haben.
  4. Die Chorizo für die Pakete schälen und die Wurstmasse ein wenig zerdrücken oder auch mit einem Messer zerkleinern. Je 1 EL Wurstfarce (ca. 12 g) in die Mitte der Wirsingblätter setzen und leicht flach ausdrücken. 1 Stück Filet drauf setzen. Die Strunkseite über das Fleisch schlagen, dann die linke und die rechte Seite, zuletzt die Oberseite darüber klappen. Päckchen umdrehen und so in eine nicht zu grosse Auflaufform setzen.
    Wir haben dieses Gericht in einer ovalen Form von 25 x 20 cm, in einer rechteckigen Form von 25 x 18 cm und in einer quadratischen Form von 24 x 24 cm zubereitet. Idealerweise bleibt noch ein kleiner Spalt zwischen den Päckchen, in welche die Sauce eindringen kann – die Päckchen sollten sich dennoch nicht öffnen. Allzu gross sollte die Form aber auch nicht sein, sonst liegt die Sauce zu dünn über dem Boden.
  5. Zubereitung der Sauce. 1 EL Olivenöl erwärmen, den Speck andünsten bis die Stücke leicht knusprig scheinen (3 Minuten). Zwiebeln beigeben und glasig dünsten. Den gehackten Chorizo dazugeben und anbraten bis die Wurst ein wenig glasig erscheint (5 Minuten).
  6. Weisswein angiessen und warten bis es nicht mehr nach Alkohol riecht (3 Minuten). Schweine- oder Hühnerbrühe anschütten, Mandeln, Sultaninen, Pinienkerne und Honig beigeben, aufkochen lassen. Hitze ein wenig reduzieren, Blutwurst beigeben und die Sauce 10 bis 15 Minuten auf mittlerer Flamme einkochen lassen. Sie sollte eine leicht dickliche Konsistenz haben.
  7. Die Sauce über die Kohlpakete in der Form giessen, ein wenig in die Ritzen zwischen den Paketen schaben. In dem auf 180º vorgeheizten Ofen 20 Minuten schmoren.
    Je nach Beschaffenheit des Ofens sollte man die Form während der ersten Hälfte der Schmorzeit mit einem ein Stück Aluminiumfolie abdecken – sonst wird die Oberfläche zu knusprig.
Die berühmten Würste der Balearen sind ein Teil der kulturellen Identität der Inseln – ein Supermarkt in Inca. (Februar 2015)
Das Restaurant «Eu Centro» in Pollença serviert Llom amb col mit einer Sauce, die nebst Speck und Blutwurst auch Muskelfleisch enthält – darauf haben wir in unserem Rezept verzichtet. (Februar 2015)
«Eu Centro» ist ein sympathisches Lokal im Herzen des Städtchen Pollença im Norden von Mallorca. (Februar 2015)
Schneidet man die dicke Rippe des Wirsingblattes flach (links), dann wölbt es sich nicht mehr so stark und lässt sich einfacher verarbeiten. (Zürich, März 2015)
Während des Blanchierens muss man die Blätter mit einem Kochlöffel unter Wasser drücken.
Nach dem Blanchieren werden die Blätter unter kaltem Wasser abgeschreckt.
Zum Trocknen werden die Blätter sorgfältig auf ein Tuch ausgelegt und mit etwas Küchenpapier abgetupft.
Das Fleisch wird nur kurz angebraten – eine kleine Kruste aber sollte es haben.
Das Formen der Päckchen geht einfach. Je 1 EL Wurstfarce in die Mitte der Wirsingblätter setzen und leicht flach ausdrücken. 1 Stück Filet drauf setzen. Die Strunkseite über das Fleisch schlagen, dann die linke und die rechte Seite, zuletzt die Oberseite darüber klappen. Päckchen umdrehen – fertig.
Die Sauce sollte eine leicht dickliche Konsistenz haben – es sollten aber noch etwa 2 dl Flüssigkeit vorhanden sein.
In der Form sollte idealerweise noch ein kleiner Spalt zwischen den Päckchen offen bleiben, in welchen die Sauce eindringen kann. Allzu gross sollte die Form aber auch nicht sein, sonst liegt die Sauce zu dünn über dem Boden.
Mit einem Spachtel schiebt man die Sauce ein wenig in die Ritzen zwischen den Paketen – so wird die Masse in der Form kompakter.
Nach zwanzig Minuten im Ofen haben die Wirsing-Päckchen zusammen mit der Sauce eine glänzend goldbraune Farbe entwickelt.
Unserer Meinung nach passen Salzkartoffeln sehr gut zu Llom amb col – man kann sie mit der Gabel ein wenig zerdrücken und etwas Sauce aufsaugen lassen.
Die kräftigen und ein wenig zerzausten Aromen des in Wirsing gewickelten Schweinefleisches erinnern uns auch an die raue Landschaft am Kap Formentor, dem nördlichsten Teil von Mallorca – HOIO's Arbeitsblatt zu von Llom amb col. (März 2015)

First Publication: 7-3-2015

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