An einem Ort zu sein, der ohne Touristen vielleicht nicht existieren würde, bringt eine seltsame Unruhe in die Seele. Fast kommt mir Luang Prabang wie eine Erzählung vor oder auch nur wie ein Satz, der plötzlich mit einem Punkt enden könnte. Buch zu – und schon ist die Geschichte halb vergessen. Entsprechend fühle ich mich selbst, belanglos. Ob ich hier bin oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle – ob ich hier stehe oder da gehe, hier einen Kaffee trinke oder da ein Stück Büffelhaut zerkaue, es hängt nur von einem Komma ab. Könnte ich etwas tun, das mich aus dieser Grammatik ausscheren liesse?
Während ich in einem Café sitze und mein Touristen-Los beklage, tanzt plötzlich ein Alter in schwarz-weiss gemusterten Bermudas durch die Strasse, mit nacktem Oberkörper. Ich habe ihn heute früh schon gesehen – er trug einen riesigen und halb verfaulten Palmwedel durch den Garten des Nationalmuseums – dazu murmelte er wütend kurze Sätze, die wie Verwünschungen klangen. Dann und wann liess er den Wedel auf seiner Schulter wippen. Sein Auftritt kam mir wie eine kleines Theaterstück vor – allein es wollte keiner zuschauen, ja der Mann bewegte sich durch die Touristenmassen als wäre er unsichtbar.
Jetzt schleicht der Alte hier von einem Restaurant zum nächsten, bleibt vor den Speisekarten stehen, die den Gästen auf Ständern präsentiert werden. Er greift sich die Karten, schliesst sie, dreht sie um 180º, öffnet sie wieder und stellt sie auf den Ständer zurück. Doch die Kellern sind wachsam, auch scheinen sie die Tricks des Alten zu kennen – kaum ist er ausser Sichtweite, drehen sie die Karte wieder zurück.
Zwischen jedem Restaurant geht der Alte leicht in die Knie, streckt den rechten Arm aus, legt den Kopf ein wenig schief als wolle mit seiner Rechten auf etwas zielen – und lässt kurz ein Feurzeug in der Hand aufflackern. Zweifellos schiesst er etwas ab. Er zielt indes nicht auf Menschen, sondern auf etwas, das er im Himmel über den Häusern zu sehen scheint – vielleicht knallt er Sterne ab oder noch besser: Götter.
So seltsam sein Benehmen ist – es kommt mir doch vor, als stecke darin auch eine mögliche Antwort auf meine Frage.
Pak Ou Tham Theung Caves on the Mekong River north of Luang Prapang.
First Publication: 4-5-2015
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