Rinderbrühe mit Reisnudeln, rohem Rindfleisch und Kräutern – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 150428 Vinh Hy Harbor
Pho (ausgesprochen etwa Fooö) gilt als das Nationalgericht von Vietnam. Es ist eine Brühe (meist aus Rind Pho Bò, manchmal aus Huhn, Pho Gà oder Schwein), die mit Reisnudeln und dünnen Scheiben Fleisch serviert wird. Jeder fügt bei Tisch Chili und Limettensaft, ev. zusätzliche Fischsauce, frische Kräuter und manchmal Mungbohnen-Sprossen dazu. Traditionell war Pho ein Frühstück oder, wie manch andere Suppe, eine Krankenkost. Heute wird Pho rund um die Uhr gegessen, vor allem auf der Strasse.
Geschichte. Keiner weiss, wo und wann Pho entstanden ist – ja laut Luke Nguyen («Indochine, the collection», Kapitel Chef Didier Carlou) weiss auch niemand mit Bestimmtheit zu sagen, ob es sich dabei um eine vietnamesische Schöpfung handelt. Auf jeden Fall lassen sich chinesische (Nudeln und Ingwer) sowie vor allem französische Einflüsse nachweisen: Laut Nguyen («The Food of Vietnam», Kapitel Da Lat) assen die Vietnamesen vor der Französischen Kolonialzeit kein Rindfleisch – Kühe und Büffel dienten einzig als Arbeitstiere und zogen hauptsächlich Pflüge über die Felder. Die Franzosen haben den Konsum von Rindfleisch im ganzen Land populär gemacht – ja man bekommt auf der Strasse gar eine vietnamesische Version des französischen Klassikers Steak-Frites angeboten, die «Bistek» heisst.
Bei Like Nguyen («Indochine, the collection», Kapitel Chef Didier Carlou) kommt ein Nguyen Dinh Rao zu Wort, der in Hanoi den Unesco Gastronomy Club präsidiert. Er ist überzeugt, dass Pho in der Stadt Nam Dinh im Delta des Roten Flusses in Nordvietnam entstanden sei. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei dort eine grosse Textilfabrik eröffnet worden. Die Arbeiter aus anderen Städten, die vietnamesischen und die französischen Soldaten, sie alle litten unter den deftigen Suppen, die traditionell in der Gegend zubereitet wurden, und verlangten nach einer leichteren Speise. Laut Nguyen Dinh Rao sind die Brühe und die Reisnudeln genuin vietnamesisch – doch um dem Geschmack der Europäer entgegenzukommen, fügte man Rindfleisch und andere Zutaten bei.
Weiter verbreitet ist die Ansicht, dass Pho aus französischen Rezepten wie Pot au feu entwickelt worden sei. Bei der Pho wie auch beim Pot au feu spielen Knochen vom Rind und angeröstete Zwiebeln eine wesentliche Rolle. Auch der Name Pho soll auf das Französische Pot au feu zurückzuführen sein. Laut Hans Gerlach und Susanna Bingemer («Vietnam - Küche & Kultur», Kapitel Ganz Vietnam in einer Schüssel) kam die Pho «auf jeden Fall zuerst in Hanoi auf den Tisch, weshalb sie manchmal auch Hanoi-Suppe genannt wird». Vom Norden aus soll sie sich erst in den Süden ausgebreitet haben als das Land 1954 zweigeteilt wurde: «Viele Menschen aus dem Norden flüchteten vor den Kommunisten in den Süden und nahmen ihr Nudelsuppenrezept dorthin mit.»
Norden versus Süden. Die Pho wird auf jeden Fall im Norden des Landes anders zubereitet als im Süden. In Hanoi bevorzugt man eine eher helle und nicht allzu stark gewürzte Brühe – in Saigon kommen deutlich mehr Gewürze hinein, werden Knochen manchmal vor dem Kochen angeröstet. Im Norden isst man die Suppe auch mit weniger Beilagen und Kräutern als im Süden. Noch dramatische schildert es Luke Nguyen («The Food of Vietnam», Kapitel Hanoi): «In Saigon, southerners cook pho for 8–10 hours, using 10 different spices, and they eat it with added bean sprouts, saw-tooth coriander (cilantro), rice paddy herb, basil, chilli, spring onion (scallion), chilli sauce, fish sauce and hoisin sauce. In Hanoi, you simply get a beef broth with rice noodles, slices of beef, some sliced spring onion and that’s it. Not too many spices are used, only star anise, black cardamom, cloves and peppercorns, so the broth is clean and clear.» Wir schlagen hier, passend zur Episoda von Peter Polter, ein eher südliches Rezept vor.
Die Brühe. Das A und O einer Pho ist natürlich die Brühe. Es gibt im Handel Pho-Brühwürfel oder Granulat zu kaufen. Wir haben einige dieser Fertigprodukte probiert und fanden sie insgesamt nicht schlecht. Manche waren allerdings viel zu süss für unseren Gusto. Die Herstellung einer Brühe ist nicht übertrieben aufwendig, braucht aber Zeit und ist mitunter eine etwas klebrige Angelegenheit.
Kochzeit der Brühe. Traditionell werden die Knochen für die Pho-Brühe sehr lange ausgekocht, oft ganze 24 Stunden. Hans Gerlach und Susanna Bingemer («Vietnam - Küche & Kultur», Kapitel Ganz Vietnam in einer Schüssel) zitieren in diesem Zusammenhang den Ethnologen Tien Huu: «Einen Tag und eine Nacht verbringst du, um eine kleine Schale dieser Hanoi-Suppe vorzubereiten. Einen Tag und eine Nacht bist du aber vom Treiben der Welt abgesondert, und der würzige Duft, den du atmest, erzählt dir das Geheimnis der Natur. In aller Stille klingt durch diesen Tag und diese Nacht die Fülle deiner Zeit.» Eine schöne Beschreibung. Allerdings haben wir einige Brühen während 24 Stunden aus Knochen gekocht (vergleiche etwa Tonkotsu-Ramen «Bugi») – und schliesslich eingesehen, dass die modernen Küchenlehren wahrscheinlich recht haben und die Brühen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr wirklich besser werden (mehr zum Thema Rinderbrühe).
Zutaten der Brühe. Rezepte für Pho-Brühe gibt es en masse. Manche kochen Sie nur aus Ochsenschwanz, andere ziehen Markbein vor oder schwören auf Gelenkknochen. Manche garen ein Stück Siedfleisch mit – andere nicht. Wir kochen sie aus dem, was wir bekommen können – denn Suppenknochen & Co. gehören leider heute (in der Schweiz auf jeden Fall) nicht mehr zum Grundangebot einer jeden Metzgerei. Die hier vorgeschlagene Mischung aus Knochen und Fleisch kann also gut durch eine andere Mixtur ersetzt werden. Als Faustregel gilt, dass sich aus 1 kg Knochen gut 1 Liter Brühe kochen lässt. Wer die Gewürze etwas auffälliger in den Vordergrund treten lassen will, kann sie vor Verwendung kurz trocken anrösten.
Anrichten der Suppe. Zur Pho werden auf einem separaten Teller verschiedene Kräuter, Limetten und Chili (oder auch Chilisauce) serviert. Ausserdem gehört auch Fischsauce auf den Tisch. Es empfiehlt sich, die Suppe erst mit Chilis (oder Chilisauce) und Limettensaft (ev. auch Fischsauce) nach dem eigenen Gusto abzuschmecken – und erst dann ein paar Kräuter auf die Oberfläche zu streuen. Wir geben aufs Mal jeweils nur wenige Kräuter in die Suppe – und wechseln bei ihrer Zusammensetzung ab. So kann man verschiedene Aromakombinationen ausprobieren und die Kräuter behalten ihre Frische. Viele Pho-Konsumenten lassen einen guten Teil der Brühe stehen – das wird man natürlich nicht tun, wenn man sie selbst hergestellt hat und weiss, was für ein Aufwand damit verbunden ist.
Kochzeit 3.5 Stunden
Abkühlzeit 6 Stunden
1200 g Suppenknochen vom Rind
400 g Suppenknochen mit etwas Fleisch dran (in der Schweiz «Rindsknagibein» genannt)
600 g Markknochen vom Rind
400 g Ochsenschwanz
600 g mageres Siedfleisch (zum Beispiel aus der Brust)
3 bis 4 grosse Zwiebeln (400 g), mit Schale, halbiert
120 g frischer Ingwer, geputzt aber nicht geschält, halbiert
30 cm Zimtstange (ca. 18 g), ein wenig zerbrochen
12 Anissterne (12g)
1 EL schwarzer Pfeffer, ganz (10 g)
1 TL Gewürznelken (2 g)
6 Kapseln Schwarzer Kardamom (3 g), mit einem Stössel aufgequetscht
1 dl Fischsauce
1 EL Salz
1 EL Zucker
Fischsauce zum Abschmecken
6 bis 8 dl Pho-Brühe
50 g nicht zu feine Reisnudeln, bissfest vorgekocht (in den meisten Asia-Geschäften werden spezielle Pho-Nudeln, Banh Pho, angeboten)
100 g Filet vom Rind, in feinsten Scheiben (wie für Carpacccio), auf Zimmertemperatur
2 Frühlingszwiebeln oder 4 bis 6 asiatische Zwiebeln, die grünen Teile in Ringe, die weissen in längliche Streifen geschnitten
Etwas weisser Pfeffer, frisch gemahlen
1 Hand voll Mungbohnen-Sprossen, ev. kurz blanchiert
Wenigstens zwei Sorten der folgenden Kräuter: Koriander, Langer Koriander, Thai-Basilikum, Vietnamesischer Koriander, Minze
2–3 Chilischoten, in feinen Ringen
1 Limette, geviertelt
Ev. Fischsauce zum individuellen Nachwürzen
Wenn wir kein Rezept schreiben müssen, dann kochen wir die Brühe nach einem etwas anderen, sehr persönlichen Verfahren. Wir beginnen an einem späteren Abend und köcheln die Brühe gute zwei Stunden lang. Dann nehmen wir sie vom Feuer und lassen sie mit allen Zutaten (ausser dem Siedfleisch) über Nacht ganz langsam auskühlen und dabei weiter ziehen. Am Morgen kochen wir sie noch einmal schnell auf, lassen sie ein paar Minuten brodeln, und seihen sie dann ab. Anschliessend lassen wir sie bis zum Abend stehen, damit wir das Fett abnehmen können. So kommen wir insgesamt auf 24 Stunden.
First Publication: 22-5-2015
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