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Dakar (Senegal) Gueule Tapée, Marché aux poissons (Karte)

Samstag, 9. Januar 2016

Böse funkeln die Augen des Fischverkäufers: «Ich habe genau gesehen, was er getan hat», schreit er laut in die Runde. Dann streckt er den Arm aus, zeigt mit dem Finger auf mich: «Je l'ai bien vu, celui-ci!», ruft er die Solidarität der anderen Händler an. Zum Glück sind die Kollegen etwas schläfrig oder mit anderen Dingen beschäftigt – einer öffnet kurz die Augen, macht sie gleich wieder zu, ein anderer hat beide Hände in einem Tintenfisch. Sie fühlen sich nicht betroffen. Der Aufstand gegen mich bleibt aus. Ich mache mich dennoch aus dem Staub. «Il n'a pas le droit! Il n'a pas le droit!», hallt es mir nach.

Was habe ich getan? Ich habe ein Foto gemacht von einem Korb voller frisch gefangener Fische, die vor dem Stand des Wütenden in der Sonne glitzerten. Es waren keineswegs besondere Spezies, sondern kleine Thiof – Zackenbarsche, wohl die beliebtesten Speisefische des Landes. Hätte ich ein Bild des Händlers gemacht, könnte ich seine Wut verstehen – nicht jeder will sich von einem Touristen fotografieren lassen, der als pittoresk empfindet, was eigentlich bitterer Alltag ist. Aber wenn ich nur seine Ware fotografiere, dann könnte ihm das doch gleichgültig sein.

Wenig später klärt mich mein Taxi-Fahrer mit Namen Saliou auf, warum sich die Menschen im Senegal empören, wenn man die Kamera auf ihre Waren, Häuser, Tiere, Schaufenster oder gar sie selbst richtet. Die «carte postale» sei der Grund. In der Fantasie meines tobenden Fischhändlers produziere ich, einmal zurück in der reichen Welt, aus dem Zackenbarsch-Foto eine Postkarte und verdiene damit Geld – auf seinem Buckel.

In dieser Fantasie ist folglich jeder Klick eine Form von Ausbeutung des schwarzen Mannes durch den weissen Mann. Es wiederholt sich also mit jedem Bild das, was der Kontinent über Jahrhunderte ständig erlebt hat und auch heute noch zu oft erfährt.

Der Vorstellung liegt selbstverständlich ein grosses Missverständnis zugrunde. Aber ist dem auch wirklich ganz und gar so?

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: Thiéboudienne (Reis an würziger Tomatensauce, mit Fisch und Gemüse)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 24-1-2016

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