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Samuel Herzog hat am Strand den Schnauz von Tromontis gefunden.

Jean-Marie Tromontis

Jean-Marie Anthelme de Tromontis (1842-1912) war der bekannteste Historiker von Santa Lemusa und einer der ersten, die sich für die Geschichte der Kochkunst und der Produkte der Insel interessierten. Seine Traktate und Betrachtungen sind zwar manchmal von einem etwas seltsamen Humor durchzogen, sie überliefern uns jedoch wertvolle Informationen nicht nur zur Geschichte der Insel, sondern eben auch zur Geschichte ihrer spezifischen Nahrungsmittel und Produkte, zu Anbau und Zubereitungsweisen, Legenden, Mythen und Anekdoten.

Werk fast vollständig erhalten

Das Werk von Tromontis, dessen Manuskripte in der Nationalbibliothek von Santa Lemusa erstaunlicherweise fast vollständig erhalten sein sollen, wurde bisher nie umfassend publiziert. Tromontis wird zwar in Auszügen immer wider zitiert, eine wissenschaftliche Aufarbeitung seines gesamten Werkes wäre jedoch dringend nötig. Nicht zuletzt auch weil sich da wohl manche literarische Kostbarkeit würde entdecken lassen - wie das nachfolgende Zitat aus dem Aufsatz «L'émotion à table» («Die Gemütsbewegungen zu Tische») belegt.

«L'émotion à table»

«Zu den grössten Hindernissen, die bei Tische dem Genusse abhold sein können, gehört die Kontraktion des Magens. Solche wird erstlich bewirkt, wenn es das Ziel der Tischfreunde ist, unverständlich und damit unnahbar zu bleiben. Durch Gedanken, die sich nicht anders als mühsam aussprechen lassen und durch Reden etwa philosophischer Natur, die für den am Nachgeschmacke eines Bratens kauenden Verstand nicht zu begreifen sind, wird mit jeder Möhre auch ein Stück ängstliches Unbehagen aufgetischt. Denn wer will sich schon beim Genusse eines Bohnengerichtes den geistigen Ruf verderben. Zweitens führt zu einer Zusammenziehung des Magens, was nicht recht herausgesagt wird. Wenn zwischen den Tischfreunden eine Verstimmung besteht, welche zum Ausbruche noch nicht reif ist, dann lässt solches die Suppe kalt werden noch ehe sie vom Feuer genommen. […]»

«Die gemeinste Suppe»

«[…] Drittens bewirkt es eine Kontraktion, wenn an einem Tischgesellen Fehler und Laster hervorgezogen oder ärgerliche Vorgänge erinnert werden. Solches geschieht meist indem sich einer zu einem wohlgestalten Spiegel macht, in dessen Abglanze sich der andere nur noch als ungeordnete Fratze sehen kann. Viertens führt auch die falsche Freundlichkeit zu einer Zusammenziehung des Magens. Es gibt Individuen, die mit den freundlichsten Sätzen die gemeinste Suppe aufzutischen imstande sind. Oft sind sie selbst überzeugt, dass sie nur Gutes tun. Spricht man sie auf das Herabsetzende ihrer Rede an, so werden sie empört die Hände verwerfen und sich in den samtenen Mantel der zu Unrecht Gekränkten hüllen. Solche Missverständnisse sollten vor dem Essen durch Aussprache bereinigt werden – gelingt das nicht, so sitze man nicht gemeinsam zu Tische.»

Schnauz oder nicht Schnauz

So viel wir auch von Tromontis kennen – wie er aussah, wissen wir nicht. Ein vermeintliches Porträt von Tromontis gab kürzlich Anlass zu Diskussionen. Die Fotografie aus den Jahren um 1900 galt bis vor kurzem als ein Porträt von Jean-Marie Anthelme de Tromontis. Nun hat Gérôme Doussait, der Direktor des Musée historique von Santa Lemusa, diese Zuschreibung in Frage gestellt. Er hat eine Textpassage von Tromontis entdeckt, in der sich der Dichter in spöttischer Weise über Männer äussert, die «mit einem lächerlichen Gefieder auf der Oberlippe zu beweisen versuchen, dass sie die Krone der Schöpfung sind.» Tromontis nennt die Schnauzträger «vom Baume gefallene Paradiesvögel» und liefert eine genüsslich detaillierte Beschreibung der verschiedenen Arten, wie Essensreste in den Schnauzhaaren hängen bleiben können. Vor diesem Hintergrund, schreibt Gérôme Doussait in seinem kurzen Aufsatz, scheine es wenig wahrscheinlich, dass wir es bei dem fraglichen Bild tatsächlich mit einem Porträt von Tromontis zu tun haben («Cahiers du Musée historique de Santa Lemusa», 2006, Heft 2). Wenn das Bild aber nicht Tromontis zeigt – wen zeigt es dann?

Tromontis oder nicht? (Bibliothèque et Archives Nationales)

Siehe auch

First Publication: 2004

Modifications: 16-2-2009, 18-8-2011