D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

«Appetit-Lexikon»

Wie dachte man zu Ende des 19. Jahrhunderts über die «Auster», was hielt man von «Kaffee-Surrogaten», wo kam der «Pfeffer» her und wann trank man «Wermutwein»?. Das 1894 bei Carl Gerold in Wien erschienene «Appetit-Lexikon» hat mit seinen griffigen, direkt und kritisch geschriebenen Texten zu über tausend Stichworten der kulinarischen Welt viel Zeitloses formuliert - und bietet doch immer wieder auch das Abbild eine Epoche und ihrer Vorstellungen über das Essen, das Gute, die Welt.

Oft fragt man sich bei der Lektüre, wie, wann und warum sich der Diskurs über diese oder jene Speise wohl verändert hat - etwa wenn es vom «Appenzeller-Käse» heisst: «Er ist als Zukost zu Kartoffeln beliebt, aber sehr dem Rissigwerden unterworfen, nimmt auch leicht einen bitteren Geschmack an». Ob sich seit jenen Tagen wohl der Käse verbessert hat? Oder der Geschmack? Oder ist alles nur eine Frage der Werbung? Natürlich finden sich auch Einträge zu Leckereien, die längst von unseren Tafeln verschwunden sind wie das «Brotwasser» etwa oder der «Regenpfeifer».

Das Schönste am «Appetit-Lexikon» aber sind seine kleinen Exkurse und Geschwätzigkeiten, die uns mitunter ganz in den Küchendunst jener Tage versetzen – zum Beispiel wenn es im Kapitel zum «Reh» über dessen Leber heisst: «Der rechte Jäger jedoch scheibelt die Leber unmittelbar nachdem er sie dem Körper entnommen, ohne sie zu putzen und abzuhäuten, bringt die Scheiben so gleich mit etwas Rehschweiss (Blut) in geschmolzener, mit zerhackter Zwiebel gewürzter Butter aufs Feuer, setzt Pfeffer, Salz, etwas Mehl und später eine gute Dosis Essig zu, lässt sie einige Male aufkochen und erhält auf diese Weise eines jener Gerichte, die Tote zu erwecken und Lebende vom Sterben abzuhalten vermögen.»

Auch wenn vieles im «Appetit-Lexikon», aus heutiger Sicht zumindest, fast ein wenig eigentümlich und verschroben wirkt – die Autoren waren zu Hause in den kulinarischen Diskursen ihrer Zeit. Von Robert Habs zumindest wissen wir, dass er Brillat-Savarins «Physiologie du Goût» ins Deutsche übersetzte und eine Neuausgabe von Rumohrs «Geist der Kochkunst» besorgte.

Robert Habs; Leopold Rosner (Hrsg.): «Appetit Lexikon - ein alphabetisches Hand- und Nachschlagebuch über alle Speisen und Getränke. Zugleich Ergänzung eines jeden Kochbuchs». Badenweiler: Oase Verlag, 1997 [durchgesehene Neuauflage des 1894 in Wien erschienen Appetit-Lexikons].

First Publication: 1-2009

Modifications: 6-3-2009, 13-10-2011