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Moskau, Kreml (Kathedralenplatz)

Szene 5

Es war erst Mittag – also leider noch etwas zu früh, sich an die Vorbereitungen für das Abendessen zu machen. Maille rief Jelena Goncharenko an, die Verbindungsfrau des «Büros» in Moskau. Er sandte ihr per E-Mail ein Foto des blauen Zettels mit den umkreisten Buchstaben zu – und vereinbarte ein Treffen um 15 Uhr. Als Ort wählte sie den Kathedralenplatz im Kreml – «weil es dort immer viele Leute hat, da fallen wir nicht auf.» Wie ihr Kollege in Dakar schien auch Jelena Goncharenko ein Musterbeispiel umsichtigster Tarnung.

Zum verabredeten Zeitpunkt fand sich Maille auf dem Kathedralenplatz ein. Tatsächlich gab es da Menschen in Mengen – sie standen in Gruppen herum und hörten ihren Reiseleiterinnen zu, die in in allen möglichen Sprachen die altrussische Baukunst, die Symbole der orthodoxen Welt oder die Glorien der grossen Katharina erläuterten. Eine Frau mit schwarzem Haar löste sich aus einer der Gruppen und kam auf Maille zu. Sie war unglaublich jung.

«Hektor», fragte sie ein bisschen atemlos.
«Der bin ich», sagte Maille und bemerkte, dass seine Stimme etwas höher klang als sonst.
«Ich denke, dass ich Ihr Problem habe lösen können.»
«Das freut mich aber sehr», sagte Maille und fühlte sich etwas schlecht dabei.
«Ich gebe Ihnen jetzt einen Zettel. Bitte nehmen Sie ihn möglichst unauffällig an sich.»
«Das will ich gerne versuchen.» Sie kramt aus ihrer Handtasche ein kleines Papierchen hervor und steckte es ihm mit einer nervösen Geste zu. Die Ahnung eines komplizenhaften Lächelns zischte ihr durchs Gesicht, dann nickte sie höflich, drehte sich um und ging in Richtung ihrer Reisegruppe davon.

Erst als Maille die Mauern des Kreml hinter sich wusste, faltete er das Zettelchen auseinander: In schönster Schulschrift, doppelt unterstrichen, stand da «Dinosau» geschrieben – darunter «wahrscheinlich ein Codewort» und in ganz kleinen Buchstaben: «viel Glück». Da ging Maille in die Knie, was er sonst nur in royalen Casinos wie London tat.