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Auf dem Tonle Sap

Szene 9

Sieben Stunden dauerte die Fahrt, gegen deren Ende wieder mehr und mehr schwimmende Häuser und Pfahlbauten sichtbar wurden. Die Menschen sassen in den Türen ihrer Häuser und liessen die Beine über dem Wasser baumeln, rauchten Zigaretten oder dösten vor sich hin.

Früher waren Pfahlbauten für Maille der Inbegriff von Erotik gewesen – und in seiner Vorstellung hatte er all die jungen Frauen, die er während seiner Schulzeit begehrte, wenigstens einmal mit in seine Baumhütte über dem Wasser genommen und dort den Duft ihrer Haut eingeatmet, der sich auf so einzigartige Weise mit dem Geruch der Holzplanken und dem unverwechselbaren, feinalgig-kalkigen Aroma von Seewasser verband. Ein Duftcocktail, den er in späteren Jahren vergessen hatte – bis zu dem Tag als sich Odette bei ihm als Köchin vorstellte. Was er an ihr roch, ohne ihr indes je nahe zu kommen, war haargenau das, was er während seiner ganzen Pubertät in den Pfahlbauhütten seiner Imagination gerochen hatte – oder auf jeden Fall kam ihm das so vor.