Die Zwetschge (Prunus domestica subsp. domestica; engl. german prune, damson, plum; frz. quetsche, pruneau, prune de Damas,; span. ciruela; ital. prugna) gehört zu den Pflaumen (Prunus domestica). Im Unterschied zu anderen Pflaumen sind Zwetschgen aber länglich geformt, meist von markant blauer Farbe und stark beduftet (das heisst von einer dünnen Wachsschicht bedeckt). Laut Teubners «Grossem Buch vom Obst» 1215 (S. 45) haben sie auch die besseren Fruchteigenschaften: «Zwetschen sind festfleischig, gut steinlösend und besser zu transportieren, daher werden sie heute in Anbau und Handel bevorzugt.»
Geschichte. Laut Teubners «Grossem Buch vom Obst» (S. 44) stammen Pflaumen ursprünglich aus dem Gebiet zwischen dem Altai-Gebirge und dem Kaukasus. Sie kamen via Syrien nach Europa. Im 4. Jh. v. Chr. soll die Pflaume erstmals bei den Griechen erwähnt werden, etwa 100 v. Chr. soll sie nach Italien gelangt sein und dort mit den Römern über die Alpen. Gemäss Robert Habs und Leopold Rosner («Appetit-Lexikon», S. 382) gab es schon in römischer Zeit eine «erschreckliche Schar der Pflaumensorten, über die schon der alte Plinius jammerte.» Teubers Buch wiederum weiss, dass es schon zur Zeit von Karl dem Grossen «verschiedene edle Pflaumensorten» gab. Gegen Ende des 17. Jh. dann brachten laut derselben Quelle württembergische Soldaten vom Balkan die Zwetschg mit, die sich schnell weit verbreitete. Heute soll es mehr als 2000 Zwetschgensorten geben.
Etwas anders stellt Alan Davidson («Oxford Companion to Food», Kapitel Damson) die Geschichte der Zwetschge dar: «Die Zwetschge soll älter sein als die eigentliche Pflaume […] sie ist in Westeuropa seit prähistorischen Zeiten bekannt (Überreste fand man zum Beispiel bei Ausgrabungen der prähistorischen Schweizer Pfahlbauten). Sie wurde aber auch im Nahen Osten angebaut. Ihren Namen [engl. damson] erhielt sie weil die Frucht von Damaskus in Syrien aus in nachchristlicher Zeit nach Italien gelangte. Als der Herzog von Anjou um 1200 die Frucht von einem Kreuzzug zurück nach Frankreich brachte, fand eine weitere Taufe statt; das Obst hiess nun Damascene, derweilen die Kurzform Damson weiterhin für die Früchte gebraucht wurde, die schon vorher in Europa bekannt waren. (Es gibt Hinweise darauf, dass im Mittelalter und in der Tat bis ins 19. Jahrhundert hinein zwischen westeuropäischen Damsons und vorderorientalischen Damascenen unterschieden wurde).
In den 1960er Jahren breitete sich vom Balkan her eine Viruskrankheit aus, die Scharkavirose, welche den Beständen erheblich zusetzt – Scharkaresistenz resp. Toleranz gehört seither zu den zentralen Zuchtzielen.
Der Name Zwetsche oder Zwetschge (in Österreich und der Schweiz) taucht offenbar zum ersten Mal im 15. Jahrhundert in Süddeutschland auf. Seine Herkunft ist nicht geklärt – oder, wie es das «Appetit-Lexikon» formuliert: «Die [Philologen] haben mit all ihrer Weisheit noch immer nicht herausgebracht, wie das prunum Damascenum (die Damaszener-Pflaume) der Lateiner sich in ein deutsches Zwetsche oder Zwespe hat verwandeln können.»
Die Biologen sind sich einigermassen uneins, was die Zwetschge genau ist und was sie alles von den Kriechen und Spillingen, echten Pflaumen, Maranken und Mirabellen unterscheidet. Das «Appetit-Lexikon» widmet der Frage vier ganze Seiten und versucht auch, die wechselvolle Geschichte der Bezeichnung Zwetschge zu rekonstruieren – kommt aber dann doch nicht wirklich über die Feststellung hinaus, dass (S. 382) «ihre Zivilstandsakten sich in der denkbar traurigsten Verfassung befinden und man in dieser Familie tatsächlich nicht weiss, wer Mutter oder Tochter, Tante oder Nichte ist.»
Pflanze. Der Zwetschgenbaum wächst bis 6 Meter hoch, manchmal auch mehr. Die Laubblätter sind leicht länglich, mit gesägtem Rand und kahl. Die Blüten werden 2 cm gross und weisen fünf Kelchblätter und ebenso viele Kronblätter auf. Aus den Blüten entstehen länglich-eiförmige Steinfrüchte von 4 bis 8 cm. Sie haben reif eine blaue bis blauschwarze Farbe mit unterschiedlichen Rotanteilen. Der Kern ist länglich, flach und oft auf beiden Seiten sehr spitzig. Zwetschgen haben ein weissliches, grünliches oder gelbliches Fruchtfleisch, sind meist saftig, leicht süss und angenehm säuerlich. Wenn sie nicht am Baum reifen, bleiben sie aromatisch unbefriedigend.
Zwetschgen können frisch und roh verzehrt werden. Sie lassen sich zu Mus, Kompott oder Konfitüre verarbeiten oder in Alkohol einlegen. Man kann auch Schnaps aus Zwetschgen brennen oder sie als Belag für Kuchen verwenden. Im Ofen behalten sie Form und Saftigkeit besser als viele andere Früchte. Da die Erntesaison kurz ist und sich Zwetschgen nicht lagern lassen, wird ein grosser Teil der Früchte getrocknet. Die berühmtesten Trocken-Zwetschgen dürfte die AOC-geschützten Pruneaux d'Agen sein. Sie werden aus einer speziellen Zwetschgensorte hergestellt, der Prune d'Ente.
First Publication: 6-9-2015
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